Die Bundesregierung verweigert minderjährigen Asylbewerbern grundlegende Schutzrechte. So sollen Jugendliche über 16 Jahre keinen Rechtsbeistand bekommen.
Die deutsche Bundesregierung blockiert gemeinsam mit einigen anderen EU-Mitgliedstaaten Regeln für einen besseren Schutz von minderjährigen Flüchtlingen in der Europäischen Union. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke hervor, die der taz vorliegt.
In der Anfrage geht es um die Verhandlungsposition Deutschlands zu den neuen EU-Asylrechtsregeln, die zurzeit in Brüssel verhandelt werden. Die EU-Kommission hat unter anderem vorgeschlagen, jedem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling einen Rechtsbeistand zuzuteilen, der einzig das Wohl des Kindes zu berücksichtigen hat.
In der Antwort an die Abgeordnete Jelpke heißt es dazu: "Ferner tritt die Bundesregierung dafür ein (…), es den Mitgliedsstaaten weiterhin zu ermöglichen, von der Bestellung eines Vertreters abzusehen, wenn der unbegleitete Minderjährige 16 Jahre alt oder älter und in der Lage ist, sein Asylverfahren ohne einen Vertreter weiter zu betreiben."
Menschenrechtsorganisationen und EU-Abgeordnete halten diese Ablehnung für unverantwortlich: "Solch ein Vormund wäre sehr vernünftig. Ein 16-Jähriger, der noch nicht einmal Deutsch spricht, kann seine Interessen kaum überzeugend verteidigen", sagt Torsten Moritz von der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa.
Allzu oft wie Erwachsene behandelt
Die Bundesregierung fürchte, so die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel, den höheren Aufwand, längere Verfahren und höhere Kosten: "Es ist peinlich, dass Deutschland jede Maßnahme zum besseren Schutz von Flüchtlingskindern ablehnt", sagt Sippel.
Auch Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte übte kürzlich im Familienausschuss des Bundestages scharfe Kritik an Deutschland und forderte Nachbesserungen im Asylsystem. Nach der UN-Konvention für Kinderrechte seien alle Menschen bis zum Erreichen der Volljährigkeit als Kinder anzusehen, auch 16- bis 17-jährige Jugendliche. Doch gerade diese würden von deutschen Behörden allzu oft wie Erwachsene behandelt.
Cremer hält es außerdem für unverantwortlich, die Kinder in Sammelunterkünften unterzubringen. Gemäß der UN-Konvention müssten sie prinzipiell in einer Pflegefamilie oder einer anderen kindgemäßen Unterkunft einen Platz bekommen.
Aber davon will die deutsche Bundesregierung offenbar nichts wissen. Im Gegenteil: In Brüssel hält Deutschland – auch das geht aus der Antwort an Ulla Jelpke hervor – außerdem daran fest, dass Minderjährige ebenso wie Erwachsene in beschleunigten Asylverfahren etwa direkt am Flughafen in ihr Land abgeschoben werden dürfen. Genauso will Berlin die Regel beibehalten, dass auch Minderjährige in Haft genommen werden können. 2010 haben in Deutschland rund 1.300 minderjährige Flüchtlinge Asyl beantragt.
Schwierige Verhandlungen
Die Diskussionen zum EU-einheitlichen Asylsystem laufen in Brüssel schon seit Mai 2010. Eigentlich hatten sich die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, sich bis spätestens Ende 2012 auf gemeinsame Regeln zu einigen.
Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström ist zwar noch optimistisch, dass eine Einigung erzielt werden kann. Allerdings räumt auch sie ein, dass es "sehr schwierig" werden wird. Deutschland stehe - nach Angaben der EU-Kommission - mit seiner ablehnenden Haltung nicht alleine da. Auch andere Länder wie zum Beispiel Frankreich sind skeptisch.
Nach Aussagen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlingsfragen (UNHCR) waren innerhalb der EU, Norwegen und der Schweiz im Jahre 2009 rund 15.000 unbegleitete minderjährige Asylbewerber gelandet. Die meisten von ihnen waren Jungen im Alter von 14 Jahren oder darüber und kamen aus Afghanistan, Somalia, Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Eritrea und Irak.taz.de