Die Praxis der Abschiebehaft in Deutschland ist am Dienstag vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf kritisiert worden. Das Gremium befasste sich mit dem Bericht einer Arbeitsgruppe gegen willkürliche Haft, die im September und Oktober letzten Jahres Gefängnisse, Polizeidienststellen und psychiatrische Einrichtungen in Deutschland besucht hatte. In ihrem Bericht hatte die Gruppe insbesondere die Inhaftierung von Flüchtlingen kritisiert, die zu leichtfertig und ohne Vorliegen einer Straftat bis zu ihrer Abschiebung in Haft genommen würden.
Als einen Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention der UNO werteten die drei Experten die Inhaftierung unbegleiteter Minderjähriger. Sie werfen Deutschland in ihrem Bericht vor, 16- und 17-Jährige im Asylverfahren wie Erwachsene zu behandeln und ihnen keinen Vormund zur Seite zu stellen. Die Arbeitsgruppe untersucht seit 1991 die Menschenrechtssituation in verschiedenen Ländern und ist eine von 33 ähnlichen UNO-Gruppen, die sich drängenden Menschenrechtsfragen widmen, beispielsweise dem Schutz vor Folter, dem Recht auf Nahrung, der Religionsfreiheit oder der Situation von Menschenrechtlern.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht in einer Stellungnahme seine eigene Kritik bestätigt. Abschiebehaft werde in Deutschland übereilt, zu oft und zu lang verhängt, so Direktorin Beate Rudolf. Die Bundesregierung sollte auch die Beobachtung der Arbeitsgruppe aufgreifen, die überproportional viele Nichtstaatsangehörige in Haft vorgefunden habe. Es müsse ausgeschlossen werden, »dass diskriminierende Praktiken bestehen oder Rechtsvorschriften diskriminierende Wirkung haben«, heißt es weiter. Für künftige Besuche empfiehlt das Institut, auch die »Praxis von Freiheitsentziehungen und -beschränkungen in Pflege- und Wohneinrichtungen für ältere Menschen, für Menschen mit Behinderungen und für Jugendliche« zu überprüfen.
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