Migranten-Beiräte aus ganz Bayern haben sich und ihre Arbeit am Samstag in der Stadthalle präsentiert. Die Fachbörse ging mit 26 Ausstellern erstmals in dieser Größenordnung über die Bühne. Am Sonntag schloss sich eine Tagung des Veranstalters, der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (Agaby), an. Ein Gespräch mit der Vorsitzenden Mitra Sharifi Neystanak
Frau Sharifi Neystanak, Sie haben Fürth als Veranstaltungsort ausgesucht, nicht Nürnberg, das immerhin Standort des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist. Warum?
Sharifi Neystanak: Das hatte eher praktische Gründe. Es lag vor allem daran, dass der Fürther Integrationsbeiratsvorsitzende, Georgios Deligeorgis, der auch im Agaby-Vorstand sitzt, seine Stadt und seine Unterstützung gleich angeboten hat.
Dass Fürth in Zukunft stärker wachsen soll als jede andere mittelfränkische Stadt und zunehmend Zuwanderer aus armen EU-Ländern anzieht, spielte also keine Rolle?
Sharifi Neystanak: Wenn ich ehrlich bin, nein. Ich wusste das auch gar nicht. Aber dann passt das doch ideal, zumal Fürth in Bayern zu den Städten zählt, die einen hohen Migrantenanteil haben und seit Jahren aktive Migrationspolitik betreiben.
Ihre Börse gab einen Überblick über die Bandbreite der Integrationsbemühungen. „Mama lernt deutsch“-Kurse dürften bekannt sein, „Integrationsschokolade“, die verschiedene Schoko-Sorten in harmonischer Vielfalt verbindet, weniger. Welche Anregungen gab es noch?
Sharifi Neystanak: Es gibt so viele Einzelprojekte, da möchte ich kein einzelnes hervorheben. Unser Ziel war vor allem der Erfahrungsaustausch der Integrationsbeiräte, deren Gründung in Bayern nicht gesetzlich geregelt ist, und die Betonung ihrer wichtigen Rolle in der Kommunalpolitik. Es waren übrigens auch Vertreter einiger der vielen Städte Bayerns da, in denen es keine Beiräte gibt. Ich hoffe, dass sie sich haben inspirieren lassen...
In Fürth werden drei Resolutionen verabschiedet. Worum geht’s?
Sharifi Neystanak: Um die Flüchtlingspolitik in Bayern, die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse und um Rechtsextremismus. Eine vierte Resolution kam dazu. Ein in Nürnberg lebender Schwarzafrikaner wird massiv rassistisch bedroht. Wir fordern die Aufklärung des Falles, Polizeischutz für den Mann und gesellschaftliche Solidarität.
Stichwort Rechtsextremismus. Was halten Sie vom viel diskutierten NPD-Verbot?
Sharifi Neystanak: Schwierig! Es gibt gute Gründe, die NPD zu verbieten, doch scheint mir ein Verbot zu kurz gegriffen, denn es wird das Problem nicht lösen.
Der Awo-Bundesverband hat beklagt, dass es Ressentiments gegen Migranten nicht nur am rechten Rand der Gesellschaft gibt. Beobachten Sie das auch?
Sharifi Neystanak: Ja. Man sieht das schon daran, wie gut sich Thilo Sarrazins Buch in der Mitte der Gesellschaft verkauft. Davon abgesehen haben auch unsere Diskussionen hier gezeigt, dass Alltagserfahrungen zu denken geben. Beispiel Wohnungsmarkt. Wir erleben oft, dass eine Wohnung weg ist, sobald der Interessent einen ausländisch klingenden Namen nennt. Das ist ein wirkliches Problem.
Eine Ihrer Resolutionen befasst sich mit der Flüchtlingspolitik. Die zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber in Zirndorf und München platzen aus allen Nähten. Kritiker fordern mehr Geld vom Staat und mehr Personal. Sie auch?
Sharifi Neystanak: Ja. Wir fordern mehr bezahlbaren Wohnraum für diese Menschen, damit sie nur kurze Zeit in den Lagern bleiben müssen. Wir verlangen eine Aufhebung der Residenzpflicht und die unverzügliche Vermittlung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Jugendhilfeeinrichtungen. Außerdem brauchen alle jungen Flüchtlinge ungehinderten Zugang zu Bildungsangeboten.
Seit dem 1. April gibt es hierzulande ein Gesetz zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. Die deutschen Industrie- und Handelskammern regeln die Prüfung der Abschlüsse jetzt zentral in Nürnberg. Was ist noch nötig?
Sharifi Neystanak: Das neue Gesetz ist ein Meilenstein. Aber es regelt nur Berufe, die dem Bundesrecht unterliegen. Pädagogische und soziale Berufe wie Lehrer und Erzieher fallen unter Landesrecht. Wir fordern die Staatsregierung deshalb auf, mit einem Landesgesetz nachzuziehen.
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