Wien - Zwischen dem Innenministerium und dem Burgenland herrscht Streit. Anlass ist der Umgang mit fünf Kindern zwischen sechs und 14 Jahren: fünf jener 13 unbegleiteten unter 14-Jährigen, die seit Wochen im wenig kindgerechten Flüchtlingslager Traiskirchen ausharren müssen - ebenso wie rund 540 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren (der STANDARD berichtete).
Grund dafür: Geeignete Unterbringungsplätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) sind rar, deren Zahl jedoch nimmt zu. Immer häufiger kommen unter 18-Jährige allein in Österreich an, sei es, weil sie solo auf den Weg geschickt wurden oder nach der Trennung von ihren Eltern auf der Flucht sind. Am Wiener Westbahnhof etwa wurde am 20. September ein zwölfjähriger syrischer Bub ohne Papiere aufgegriffen: Seine Eltern hätten ihn einfach zurückgelassen, weil sie kein Geld für sein Bahnticket nach Berlin mehr gehabt hätten, schilderte er.
Zuständige Jugendwohlfahrt kümmert sich nicht
Bei besagten fünf Kindern, um deren Schicksal Bund und Land ringen, kommt zum Unterbringungsproblem ein weiteres hinzu: Die zuständige Jugendwohlfahrt kümmert sich um sie nicht. Kein Erwachsener sucht einen geeigneteren Wohnplatz für sie, niemand hat ein Auge auf ihre Einschulung oder auf die Wahrung ihrer Interessen im Asylverfahren - während für ihre acht im Lager lebenden Altersgenossen das Badener Jugendamt die Vormundschaft übernommen hat.
Konkret sei es die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See, die sich geweigert habe, die Obsorge für die fünf zu übernehmen, sagt Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium: "Das hat es bisher noch nie gegeben, es ist eine neue Situation für das Ministerium." Wären die Kinder nicht in der Erstaufnahmestelle untergebracht, würden sie Österreich ohne jede Rechtsgrundlage auf der Straße stehen.
Im Burgenland sieht man das anders. Im Büro des für die Asylwerberunterbringung verantwortlichen Landesrats Peter Rezar (SP) meint Referatsleiterin Elvira Waniek-Kain vielmehr: "Wir können diese fünf Kinder nicht versorgen, weil das Burgenland seine Quoten für die Aufnahme von Unmündigen schon erfüllt hat." Denn obwohl alle fünf im Burgenland aufgegriffen wurden, sei zu beachten: "Wir haben bereits drei unbegleitete unter 14-jährige Asylwerber untergebracht. Das ist mehr als die von uns zu betreuenden 3,4 Prozent", sagt Waniek-Kain.
Keine Kinderquote
Derlei Prozentspiele will Grundböck nicht kommentieren, denn: "Eine eigene Aufnahmequote für unter 14-Jährige gibt es nicht". Das Burgenland habe sich in der Bund-Länder-Grundversorgungsvereinbarung lediglich verpflichtet, 3,4 Prozent aller Asylwerber insgesamt zu versorgen, Erwachsene ebenso wie Minderjährige. Diese Verpflichtung werde um 15 Prozent untererfüllt.
Außerdem gelten bei der Behandlung von alleinreisenden Kinderflüchtlingen besondere Regeln. Der Bund-Länder-Koordinationsrat über die Grundversorgung von Asylwerbern hat bereits im Dezember 2011 im Beschluss 135 explizit festgehalten, dass unbegleitete unter 14-Jährige nicht in den Erstaufnahmezentren Traiskirchen und Thalham leben sollen. Sondern in WGs oder Heimen, die vom erstzuständigen Jugendwohlfahrtsträger betrieben werden. Also dort, wo die Kinder angehalten wurden: im Fall besagter fünf im Burgenland, wo derzeit die meisten Asylwerber Österreich betreten, wenn sie dem Flüchtlingselend in Griechenland über Serbien und Ungarn Richtung Mittel- und Westeruropa zu entkommen versuchen.
In Eisenstadt lässt Waniek-Kain aber auch Beschluss 135 nicht gelten: "Das Burgenland trägt die Entscheidungen des Koordinationsrats schon seit längerem nicht mehr mit." (Irene Brickner, DER STANDARD, 13./14.10.2012)